HUGO KAAGMAN STENCIL KING
Hugo Kaagman Stencilkunst
Der Amsterdamer Hugo Kaagman beginnt bereits 1977 seine legendären Punk-Graffiti zu sprayen. Er
gilt als Begründer des Schablonengraffiti und einer der ersten, die auf portable Bildträger gehen.
Sein gesamtes Wirken ist dabei geprägt von Pioniergeist, Kreativität und Tatendrang. Ausgehend von
seinem Frühwerk, schreibt er bis heute mit seinen Stencils Kunstgeschichte. Mit seinen vielfältigen
Stilrichtungen sorgt er bis heute für Furore.
Hugo Kaagman ist am 03-01-1955 in der Niederländischen Stadt Haarlem geboren. Gegen Ende der
1970er Jahre wird er zu einer der Hauptfiguren der Amsterdamer Punk- und Graffiti-Szene. Er nimmt
an der Instandbesetzung eines Hauses teil, in dem er bis 1998 lebt, und gibt 1977 mit dem „De
Koecrandt“ das erste holländische Punk-Fanzine heraus. Er etabliert den Punk-Club „DDT 666“, aus
„Galerie Anus“ und im Laufe der Jahre viele weitere Galerien hervorgehen. In 1979 lobt er mit der
Galerie Anus einen „Prix des Graffiti“ aus. Als Begründer des Schablonengraffiti und Punk-Akteur der
ersten Stunde platziert er von Beginn an seine Werke in den Straßen von Amsterdam. Er gestaltet
1977 die Fassade des Amsterdamer Punk-Clubs „DDT 666“ zu einem „Zebra-Haus“, die er 1979 mit
einem apokalyptischen Punk-Stencil übersprüht. 1983 bekommt er legal die Gelegenheit einen über
80 Meter langen Bauzaun in der Amsterdamer Waterlooplein zu gestalten. Von nun an erhält Aufträge
für Stencil-Graffiti und Murals. 1993 arbeitet er an einem 57 Meter langen Gemälde für den
Amsterdamer Flughafen Schiphol. 1997 erhält er den Auftrag, 20 Boeings der Britsh Airways mit
gebruschten „Delftblue Daybreak“-Paintings zu gestalten. Seiner Reisefreudigkeit ist es zu
verdanken, dass seine Stencil-Graffiti in vielen Ländern der Welt präsent sind. Er gehört zu den
ersten Graffiti-Künstlern, die auch auf bewegliche Bildträger, wie Papier und Leinwand sprayen. Dies
ermöglicht es ihm bereits früh, Off-Street in diversen Galerien, Museen, Kunstmessen und
Unternehmen weit über Holland hinaus präsent zu sein. So ist er 1979 im Rahmen einer
Einzelausstellung in der Galerie Anus und 1980 in San Francisco zu sehen. Später ist er in
Amsterdam z. B. mehrmals im Museum FODOR (ab 1980) und nicht zuletzt mehrfach in der Galerie
„The Living Room“ (ab 1988) zu sehen. In Deutschland sorgt er 1988 u. a. auf der Kunstmesse Art
Cologne und der Stuttgarter Galerie Kaes-Weiss für Auf-sehen. In den 1990er Jahren ist er z. B. auf
der Art 23 in Basel (1992) vertreten. Daneben präsentiert die Grey Art Gallery in New York (1993) und
die Amsterdamer Galerie „ArtKitchen“ (ab 1994 bis heute) seine Kunst. In den letzten Jahren ist er u.
a. mehrfach im Historischen Museum von Amsterdam (seit 2000). Mit seiner Position ist er in der
renommierten Wanderausstellung „World of graffiti“ in Amsterdam, Rotterdam und Chicago in den
Jahren 2004 und 2005 präsent. Nicht zuletzt ist er in 2008 über die Galerie artKitchen auf der
ART.FAIR 21 vertreten. Seine Werke befinden sich heute im Besitz verschiedener Museen, so z. B. im
Stedelijk Museum. Er kooperiert mit namhaften Unternehmen, wie Heiniken, Philips und Nike. Schon
ab den späten 1970er Jahren steht Kaagman medial im Fokus, wird zu einer Amsterdamer Kultfigur
und später zu einer Leitfiguren im zeitgenössischen Graffiti und der Streetart. So hat er bereits 1979
zusammen mit Diana Ozon im Holländischer Fernsehsender VPRO TV in der Kultursendung NEON eine
Live-Spray-Action. Sein Werk und Wirken wird in zahlreichen Publikationen und DVD-
Dokumentationen gewürdigt, u. a. im Buch „Amsterdam Graffiti, The battle of Waterloo“ (2003) und
im DVD-Film „Kroonjuwelen“ (2006). Eine große Ehre erhält er 2008 mit der Einladung zum Can
Festival in London. Von seiner weltweiten medialen und künstlerischen Präsenz gehen bis heute
wichtige Impulse für das klassische und futuristische Graffiti aus.
Künstlerisches Selbstverständnis
Hugo Kaagman ist in seinem Frühwerk geprägt vom Reggae, Rastafari und dem aufkommenden Punk.
Als eine zentrale Amsterdamer Punk-Figur steht er in den späten 1970er Jahren für ein Kunst- und
Lebensverständnis, das einerseits Tradiertes und Etabliertes ablehnt, andererseits klar politisch
Stellung bezieht. Mit seiner „Do-it-yourself“- Philosophie hebt er die Trennung von Kunst und das
Denken in Kunstsparten auf. Von daher ist er vor allem durch Dada und dem Dada wesensverwandte
Strömungen geprägt. Mit seinem Handeln rebelliert er gegen alles Konventionelle, Etablierte,
Traditionelle, Elitäre, Autoritäre und Hierarchische. In seinen Aktionen setzt er Zeichen gelebter
Befreiung. Er sucht und findet mit dem Schablonengraffiti eine Ausdrucksform, die in der Tradition
von Dada und Neo-Dada steht. Es sind die Formen der öffentlicher Aktionskunst, ob Fluxus,
Happening und Decollage, ob mit (Happening) oder ohne (Fluxus) Beteiligung des Publikums, die sein
Werk prägen. In der Tradition von Fluxus will er in unser Leben einwirken und die Kunst nicht vom
Leben abschotten. Für ihn gilt analog zu Emmett Williams „Das Leben ist ein Kunstwerk, und das
Kunstwerk ist Leben“. So begreift er z. B. das öffentliche Sprayen als Aktionskunst. Im zerrissenen
Outfit seiner Graffiti und
Punk-Magazines lässt er sich von Collage, Fotomontage und Decollage leiten. Ihm kommt es im
Graffiti auf das Environment, also die Einbeziehung der Umgebung als Teil des Kunstwerks an.
Getragen vom Lebensgefühl der späten 1970er, das u. a. von Arbeitslosigkeit, Kaltem Krieg,
Nuklearem Holocaust und Umweltkatastrophen
geprägt ist, bezieht er in seiner Kunst klar politisch Stellung. Die in den 1980er Jahren aufkommende
Amerikanisierung europäischer Kulturen, wie er sie u. a. durch die Hip-Hop-Bewegung beobachtet,
lehnt er strikt ab. Amsterdam, Waterlooplein, 1983
Spraykünstlerische Position
Hugo Kaagmans Wirken wird bestimmt von der Vision, dass Graffiti ein „künstlerisch
Hochstehendes“
Phänomen ist und „die Kunst zu den Menschen bringt“. 1977 verwendet er erstmals in der Geschichte
für seine grafischen Punk-Graffiti Schablonen, deren Konturen er mit der Spraydose oder
Sprühpistole abbildet. Er entwickelt den legendären „Zebra-Look“, mit abstrakten Mustern und
psychedelische Touch. Typisch für diesen Stil, der in der Machart auch an die Op-Art erinnert, sind
Symmetrien, Wiederholungen und Spiegelungen, die er im radikalen Farbkontrast von Schwarz und
Weiß hält. Gelegentlich webt er in die Muster gegenständliche
Bildmotive und Messages ein. Kaagman wendet sich ab etwa 1979 einer figurativen Schablonenkunst
und gesellschaftskritischen Stencils. Wie er sind in dieser Zeit viele junge Menschen von den
damaligen Lebensumständen, sei es die Arbeitslosigkeit, der kalte Krieg, der drohende Nuclear
Holocaust oder die massiven Umweltzerstörungen desillusioniert und schockiert. Vor diesem
Hintergrund fängt er die Weltuntergangsstimmung jener Tage ein. Mit seinem Verständnis von „Think
critically“ gehört er zu den Künstlern, die auf die herrschenden Missstände hinweisen. Zugleich
kommt in den Stencils seine anarchistische, anti-faschistische, gegen Krieg, Polizeistatt und
Unterdrückung gerichtete Haltung zum Ausdruck.
Kaagman legt in seinen brüskierenden Stencils den Finger schonungslos offen in die bürgerlichen
Wunden. Seine paradoxen Bildwelten spiegeln sich in Atommeilern, Waffen, Vögeln,
Freiheitskämpfern wie Che Guevara, Diktatoren wie Idi Amin oder im makaberen Kommentar „DROP
de neutronen BOM“ wieder. Mit Slogan wie „No Future“ und der Abbildung von Rasierklingen und
Sicherheitsnadeln setzt er Zeichen seines Punk-Seins. Formal sind seine Werke in ihrer Gestalttypik
und AntÄsthetik für Kunst und Graffiti gerade
zu revolutionär. Um seine Kunst auch in Galerien und Museen auszustellen, wendet sich Kaagman zur
gleichen Zeit portablen Bildträgern wie Leinwand oder Papier zu. In seiner pragmatischen Haltung
gehört er zu den weltweit ersten Akteuren, die sich als Pioniere des „Post Graffiti“ etablierten Orten
der Kunstvermittlung öffnen.
Kaagman entwickelt seine Stencilkunst in den 1980er Jahre weiter. Bis heute er eine Fülle an
Stilarten
kreiert, deren umfassende Beschreibung den Rahmen sprengt. Seine Arbeiten muten mal im „New-
Wave-Look“ hart und grell an,mal verleiht er seinen Pattern-Stencil einen ornamentalen Charakter,
mal gibt er ihnen eine psychedelische Note. Nicht zuletzt sprayt er seine Werke auch völlig frei ohne
die Verwendung technischer
Hilfsmittel. Kaagman geht im Laufe der Jahre auf diverse Bildträger. Neben Wänden und Leinwänden
macht er aus Flugzeugen, Kraftfahrzeugen, Klavieren, Keramiken wie Kacheln, Fliesen und Geschirr
und nicht zuletzt aus Textilien oder Kleidungsstücken Kunstwerke.
Ab etwa 1990 entwickelt Kaagman seinen „Delft Blue“-Stil, der heute als „Kaagware“ bekannt ist. Auf
seinen Reisen durch Länder wie Marokko entdeckt er deren traditionellen Motive und handwerklichen
Gestaltungsweisen. Bei der Erkundung dieser Kulturen wird ihm die seines Heimatlandes bewusst
und er beginnt nach niederländischen Motiven zu suchen. In dieser Zeit beobachtet er die
zunehmende
Amerikanisierung euro-päischer Kulturen und den Verfall der Niederländischen Kultur. Er macht dies
beispielhaft an den Keramiken des Delfter Blau fest, die seit ihrer Blütezeit im 17. Jahrhundert zwar
für Hollands Tradition stehen, aber immer mehr zum Souvenirabfall verkommen. Von nun an widmet
er
sich einer vorwiegend in der Airbrush-Technik entstehenden Stencilkunst, die von der historischen
Anmutung her an die DelfterFayencen anknüpft. Der traditionelle heilen Motivwelt der Delfter Ware
setzt er auf seine humorvolle Art zeitgenössische Bildmotive entgegen. Sie stehen mal für den
Schmelztiegel der Kulturen, mal bilden sie die harte Realität mit Krieg und Leid ab, mal verleiht er
ihnen einen rein dekorativ darstellenden oder träumerischen Charakter.
Seine symmetrisch aufgebauten und gespiegelten Kompositionen, mitsichwiederholenden
Bildmotiven dienen ihm im Sinne von Mandalas als Quellfernöstlicher Meditation. In den eingewobene
abstrakten Bildmustern lässt er Anklänge an das Ornamentale, an maurische Arabesken erkennen.
Phänomene des modernen
Großstadtdschungels
Wer von Wandsprüchen und Graffiti spricht, spricht von Kunst und Vandalismus, von Poesie und Provokation, von Ästhetik und
Widerstand, von Kult und Kommunikation. Die faszinierende Vielfalt und die spannenden Widersprüchlichkeiten dieser
Phänomene des modernen Großstadtdschungels sind en anragend .Graffiti sind urbane Volkskunst. Die gesprayten Bilder und
Hieroglyphen sind aus den heutigen Stadtbildern nicht mehr wegzudenken. Sie sind Ausdruck des Lebensgefühls jugendlicher
Subkulturen. Die Wandsprüche und Malereien entstehen bei Nacht und Nebel. Sie beschäftigen vor allem die Strafbehörden.
Die Amsterdamer Kunstler Hugo Kaagman zeigt, daß es sich um künstlerisch Hochstehendes handelt. Geboren in Haarlem in
die Niederlanden, war er einer der Amsterdamer Hauptfiguren in der Graffiti- und Punk-Bewegung der frühen achtziger Jahre.
In 1977 begann Kaagman seinen eigenen Graffitistil zu entwickeln. Die meisten seiner Arbeiten realisierte er anhand von
Schablonen in der Verbindung met Sprühdosen und mit dem Airbrushverfahren. Er übernahm verschiedene Motive der Punk-
und reggae-Kulturen in sein Werk. Typisch für seine Arbeit ist die symmetrische Komposition, die Wiederholung und die
Spiegelung der Motive. In 1985 war Kaagman als Graffitikünstler in der Amsterdamer Innenstadt berühmt. Kaagman reflektiert
durch sein Werk die gemeinsamen Resourcen westlicher und nichtwestlicher Kulturen. Während seiner Reisen durch Länder
wie Marokko und Senegal entdeckte er die spezifisch traditionellen Motive und handwerklichen Gestaltungsweisen der Kulturen
dieser Nationen. Beim Erforschen anderer Kulturen wurde er der seines eigenen Landes bewusst. Er begann nach den typisch
niederländischen Motiven zu suchen. Sein starker Wunsch ist es, die Kulturmotive der eigenen Nation zu erhalten. Er tut das,
indem er sie mit zeitgenössischen und fremde Motiven verbindet.
Während Kaagmans Kunst ein Schmelztiegel von Bildmotiven verschiedener Kulturen ist, ist sie ebenso ein Transportmittel für
seine ironischen Kommentare zu politischen oder zeitgeschichtlichen Ereignissen. Die hervorstehende Charakteristik der
jüngsten Kaagman-Kunst ist die farbe Blau in ihrer Verbindung mit Kultursymbolen. In Kaagmans Augen hat die
kommerzialisierung die niederländische Kultur, symbolisiert durch das einst edle delfter Blau, zum Souvenirabfall entwürigt.
Statt gemütlicher häuslicher Szenen mit malerischen Windmühlen gibt es Krieg. Kaagmans Botschaften sind mehrdeutich.
In seinen neuesten Arbeiten beschäftigt er sich mit der japanischen und französichen Kulturtradition. In den kommenden
Jahren möchte er seine Studien der Clichees verschiedener Kulturen weiterintensivieren. Er hat mehrere Aufträge für
Wandmalereien realisiert, einige Mauer, Tunnel, einer 50 Meter lange Wand für den Flughafen Amsterdam-Schiphol, fünfzehn
Boeings von der British Airways und einschließlich Auftrage in Japan, England, Amerika, Curacao, Afrika, und Deutschland,
Rusland, Griechenland.
Kitsch-Art ; Wie Kitsch zur Kunst wird
Auch das interessante Werk des Spraykünstlers HUGO KAAGMAN handelt unterschwellig von der Religion. Kaagman war
einer der Amsterdamer Hauptfiguren in der Graffiti- und Punk-Bewegung der frühen achtziger Jahre. Er entwickelte sich dabei
zu einem Kitschkritiker. In seinen Augen hat die Amerikanisierung die niederländische Kultur, symbolisiert durch das einst edle
Delfter Blau, zum Souvenirabfall entwürdigt. Statt gemütlicher häuslicher Szenen mit malerischen Windmühlen gibt es Krieg.
Rettet die Welt heißt die Devise. Pisa, der Touristenturm aller Touristentürme, erscheint gleich viermal Oder sollte sich dort Heil
abzeichnen ? Die vierTürme weisen auf ein weißes Kreuz. Alle symmetrischen Kompositionen im Quadratformat lassen an
Mandalas denken. Sie erinnern auch an das quadratische format der alten Delfter Kacheln. Ob eine Rettung der Vergangenheit
oder von der Religion erhofft werden darf - Kaagmans mehrdeutite Botschaft wagt es nicht, Lösungen anzubieten.Von der
Religion ist es nur ein kleiner Sprung zur Sage und zum Märchen in alter und neuer Form. Wie man bei Pierre et Gilles
gesehen hat, fallen Phantasiewelten gern gefühlsbetonter aus als die prosaische Alltagswirklichkeit. Wunschbilder neigen daher
leicht zur Süßlichkeit, zum »Kitschigen«, eine leichte Zielscheibe für den Spott; für den spielerischen Geist der Niederländer.
Gregory Füller, Kolln, Deutschland, 1994, Taschenbuch Verlag